Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz
1992 –RRG 1992 –) 18.12.1989 Gesetzestext: Bundesgesetzblatt des Bundesanzeiger Verzeichnis-Nr. 60 vom 28.12.1989
Entwurf RRG 1992: BT-Drucksache 11/4124 SGB VI
Durch das RRG 1992, das in seinen wesentlichen Teilen am 1. Januar
1992 in Kraft trat (Art.85), wurde das in zahlreichen Einzelgesetzen
enthaltene Rentenrecht der Arbeiter, Angestellten und der im Bergbau
beschäftigten Arbeitnehmer neu systematisiert, in Art.1 des RRG
1992 in 320 Paragraphen als SGB IV (VI. Sozialgesetzbuch) zusammengefasst.
Es enthält viele auch rückwirkende Änderungen, meist mit geringem
Vertrauensschutz. Das Gesetz enthält in den Artikeln 2 bis 79 zahlreiche
Änderungen anderer Gesetze. Das bisherige Vierte Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO),
das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) und das Reichsknappschaftsgesetz
(RKG) treten am 31. Dezember 1991 außer Kraft.
Zu den wichtigsten Veränderungen der seit 1957 umfassendsten
Rentenreform durch das RRG 92 zählen: o Die Bundesgarantie gilt uneingeschränkt nur noch für
die knappschaftl. GRV, für die GRV der Arbeiter und Angestellten
nur noch eingeschränkt
(§§ 214, 215 SGB VI). o Es werden Beitragserhöhungen zulässig, ausschliesslich um Finanzierungslücken
der Umlagefinanzierung durch die Beitragszahler auszugleichen (§ 214SGB VI). Gegen
die bisherige Gesetzeslage, siehe unten Bundesgarantie, wurde
allerdings auch schon vorher von den jeweiligen Regierungen verstoßen.
o Änderung der Rentenanpassung von der Bruttolohn- auf die Nettolohnentwicklung,
d.h. nach den geringer steigenden Nettolöhnen durch steigende Steuern
und Sozialversicherungsbeiträge. o Anhebung der Altersgrenzen 60 (Frauen, Arbeitslose) und 63
(langjährig Versicherte) auf 65 Jahre. Stufenweise über 12 Jahre,
vom Jahr 2001 an, mit Vorbehalt, dass 1998 die Arbeitslosigkeit
keine große Rolle mehr spielt. o Für jedes Jahr der vorzeitigen Inanspruchnahme ab 62 mindert
sich die Rente um 3,6% (sogenannter versicherungsmathematischer
Abschlag). Regelungen wurden in Folgejahren mehrfach geändert. o Kürzung der schulischen Anrechnungszeiten auf insgesamt maximal
sieben Jahre, von vorher maximal 13 Jahren (max. 4 Jahre Schule ab dem vollendeten
16. Lebensjahr, max. 4 Jahre Fachschul- und max. 5 Jahre Hochschulausbildung),
sowie geringere Bewertung: Mit höchstens 75% des Durchschnittseinkommens
pro Jahr o Nur noch die ersten 4 (vorher 5) Versicherungsjahre werden
mit 90% des Durchschnittseinkommens aller Versicherten bewertet. o Verlängerung der angerechneten Kindererziehungszeiten von einem
auf drei Jahre für Geburten ab 1992. o Zahlung von Pflichtbeiträgen für Lohnersatzleistungen (zum
Beispiel Arbeitslosengeld, Krankengeld) ab 1992. o Die „Eckrente“
wird auf der Grundlage von 45 und nicht mehr 40 Versicherungsjahren
definiert. So entsprechen 60 % für 40 Versicherungsjahre 67,5 %
der Bemessungsgrundlage bei 45 Versicherungsjahren. Auch die Ende der 1980er Jahre dramatisch gestiegenen Aussiedlerzahlen
führten zu Änderungen des Fremdrentenrechts, die im Rahmen des Rentenreformgesetzes
1992 (RRG '92) umgesetzt wurden. Schwerpunkte betrafen u. a. Rentenrechts-Änderungen,
um mögliche Besserstellungen der Aussiedler gegenüber Einheimischen
wieder abzuschaffen. Die Änderungen traten überwiegend zum 1.7.90,
teilweise auch zum 1.1.92 in Kraft (Wikipedia). Auch diese
Leistungen, wie auch die Rentenzahlungen in die neuen Länder ab 1.1.1992,
führten zu stark ansteigender Belastung der versicherungsfremden
Leistungen in der Rentenversicherung.
Ziel der Neuordnung sei die langfristige Stabilisierung der Finanzlage
der gesetzlichen Rentenversicherung als gemeinsames "Jahrhundertwerk"
von CDU/CSU, FDP und SPD. Es folgten jedoch in kurzen Abständen
weitere einschneidende "Reformen" der Rentenversicherung.
Als Begründung (für die Reform) wird im Gesetzentwurf RRG 1992 genannt: 1. Steigende Belastungsquotienten (aufgrund der Änderungen im
Altersaufbau der Bevölkerung), 2. Früher Rentenbeginn 3. Steigende
Lebenserwartung 4. Veränderte Erwerbstätigkeit 5.
Schrumpfende Bevölkerung(szahl) Weiter heisst es unter II. Grundsätze und Ziele der Reform (S.137):
Die sich aus dem verändernden Altersaufbau ergebenden Belastungen
sollen gemeinsam von Rentnern, Beitragszahlern und Bund getragen
werden.
Das RRG 1992 beinhaltet viele rückwirkenden Eingriffe in bereits
nach Recht und Gesetz erworbenen Ansprüche der gesetzlich Rentenversicherten,
der Vertrauensschutz wird äusserst restriktiv gehandhabt. Selbst
Versicherte mit 45 Beitragsjahren müssen, wenn sie wg. Arbeitslosigkeit
vorzeitig Rente beantragen, den neu eingeführten vollen Rentenabschlag
bis zum Lebensende tragen. Dabei spielt es nun keine Rolle mehr,
dass die betroffenen Versicherten jahrzehntelang Beiträge unter
der Voraussetzung gezahlt haben, dass sie gegebenenfalls mit 60
ohne Abzug in Rente gehen können. Das Bundesverfassungsgericht vertritt
in allen relevanten Beschlüssen, dass die rückwirkenden Eingriffe
in bereits nach Recht und Gesetz erworbenen Ansprüche mit dem Grundgesetz
vereinbar sind.
Die Bundesgarantie für die GRV der Arbeiter und Angestellten
(§§ 214, 215 SGB VI) wurde ersetzt durch einen Überbrückungskredit: Bis 1992 galt die Bundesgarantie nach § 1384 RVO
bzw.
§ 111 AVG. Mit dem RRG 1992 unter der schwarzgelben Regierung Kohl
wurde die Bundesgarantie umgewandelt in einen zeitlich befristeten
zinslosen Überbrückungskredit, der von der Rentenversicherung der
Arbeiter und Angestellten, d.h. ihren Rentenversicherten, zurückzuzahlen
ist (§ 214, SGB VI). Für die ebenfalls der gesetzlichen Rentenversicherung
angehörende Rentenversicherung Knappschaft, Bahn, See gilt diese
Einschränkung nicht (§ 215, SGB VI). Bemerkenswert ist in diesem
Zusammenhang auch die Differenzierung in §153 RRG92 Umlageverfahren bzw.
SGB VI §153 (2): Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung ( Rentenversicherung
der Arbeiter und der Angestellten) sind insbesondere die Beiträge
und der Bundeszuschuß, Einnahmen der GRV
der knappschaftlichen Rentenversicherung
sind insbesondere die Beiträge und die Mittel des Bundes zum Ausgleich
von Einnahmen und Ausgaben (der
Begriff "Zuschuß" wird hier vermieden). Es werden Beitragserhöhungen zulässig,
ausschliesslich um Finanzierungslücken des Umlageverfahrens auszugleichen. Gegen
die bisherige Gesetzeslage (§ 1384 RVO) wurde allerdings auch
schon vorher von den jeweiligen Regierungen verstoßen.
Ein erheblicher Vertrauens- und Rechtsbruch der Politik
gegenüber den Rentenversicherten, die vom Staat in die Umlagefinanzierung
zwangsverpflichtet wurden.
Auf eine wesentliche Ursache der Finanzierungsschwierigkeiten
durch die andauernde und zunehmende Massenarbeitslosigkeit,
insbesondere die ungenügende Beitragsentwicklung der Rentenversicherung,
wie der Sozialversicherung insgesamt, wird gar nicht eingegangen.
(1989, im Jahr des Mauerfalls und seit Jahren hoher Massenarbeitslosigkeit,
gab es offiziell 2.037.781 Arbeitslose.
Anfang der 1980er, aufgrund der dramatisch angestiegenen Massenarbeitslosigkeit,
hatte die Gewerkschaft die 35-Stunden-Woche erkämpft. Zur Vermeidung
weiterer Arbeitszeitverkürzung AZV wurde von der schwarzgelben Regierung
Kohl die Frühverrentung massiv gefördert. Diese Frühverrentung führte
alsbald zu weiteren hohen Belastungen der Rentenversicherung, da
sie nicht als versicherungsfremde Leistung vom Staat finanziert
wurde, sondern aus den Beiträgen der Versicherten.
Auch die seit 1957 bestehende ungenügende Erstattung der versicherungsfremden
Leistungen durch den "Bundeszuschuß" ist kein Thema in
diesem gemeinsamen "Jahrhundertwerk von CDU/CSU, FDP und SPD".
Im Gegenteil, mit der Rentenreform 1992 wurde aus den GRV-Beiträgen
zusätzlich die Renten in den neuen Bundesländern finanziert, die
als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Bundesmitteln hätten finanziert
werden müssen. Mit dem Rentenüberleitungsgesetz 1992 (RÜG) wird
zum 1.1.1992 das gesamte Rentenrecht (SGB VI) auf die neuen Länder
übertragen. Die neu hinzugekommenen Rentenzahlungen in die neuen
Bundesländer hat die Diskussion um den Erhalt des Systems zu Unrecht
wieder entfacht in den 1990er Jahren. Sie wurden erst viele Jahre
später vom Staat und nicht mehr von den Versicherten gegenfinanziert,
gelten aber bis heute offiziell nicht als versicherungsfremde
Leistungen. Aus dieser falschen Rentenpolitik einer Entlastung
des Bundeshaushalts zu Lasten der Rentenversicherung resultieren
auch die aktuellen Finanzschwierigkeiten die das Vertrauen der Versicherten
und Rentner schwer erschüttern.
Laut Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung der nicht beitragsgedeckten
Leistungen vom 13.8.2004 wird eine dringende Aktualisierung gefordert:
"die frühere Auswertung, basierend auf dem Stichtag 1. Januar
1986,....Diese Datenbasis ist zwischenzeitlich, nicht zuletzt auf
Grund vielfältiger Rechtsänderungen, überholt und auch nicht mehr
fortschreibungsfähig. Dies gilt sowohl für den aktuellen Zeitraum
und erst recht für die mittel- und längerfristige Perspektive."
Bis heute, Januar 2011 steht diese Aktualisierung aus. mehr
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