Mit Einführung der seit 1957 umfassendsten Rentenreform durch
das RRG 1992 sollte die langfristige Stabilisierung der Finanzlage
der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht werden. Gegen diese eigenen Zielsetzungen
hat der Bund in der Folgezeit dadurch verstoßen, daß er der gesetzlichen Rentenversicherung
aufgrund der deutschen Einigung noch mehr versicherungsfremde Leistungen
übertrug, die als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Bundesmitteln
hätten finanziert werden müssen. Dem gemeinsamen
"Jahrhundertwerk, das RRG1992"
von CDU/CSU, FDP und SPD folgten in kurzen Abständen immer mehr
leistungsmindernde Eingriffe in die Gesetzliche Rentenversicherung. Als
Begründung wurde in der öffentlichen Diskussion von Politik, Wirtschaft
und Medien der "demographische Wandel mit dramatischen Auswirkungen in
40 bis 50 Jahren" beschworen. Eine wirksame
und nachhaltige Reform muss jedoch an den tatsächlichen
Ursachen ansetzen: Die Hauptprobleme lagen in den Belastungen
durch die anhaltende
Massenarbeitslosigkeit und der versicherungsfremden Leistungen. Kein Thema für die Rentenreform 1992 war die real existierende Massenarbeitslosigkeit
seit Anfang der 1980er Jahre. Auf die ungenügende Beitragsentwicklung der Rentenversicherung,
wie der Sozialversicherung insgesamt, durch die andauernde und zunehmende
Massenarbeitslosigkeit
wurde gar nicht eingegangen. Veröffentlicht wurde das RRG 1992 im Jahr
1989. Im Jahr des Mauerfalls und seit Jahren bestehender hoher
Massenarbeitslosigkeit, gab es offiziell 2.037.781 Arbeitslose. Anfang
der 1980er, aufgrund der dramatisch angestiegenen Massenarbeitslosigkeit,
hatte die Gewerkschaft die 35-Stunden-Woche erkämpft. Zur Vermeidung
weiterer Arbeitszeitverkürzung wurde von der schwarzgelben Regierung
Kohl die Frühverrentung massiv gefördert. Die massenhafte Frühverrentung in den Jahren 92 bis 95 zog wachsende
Ausgaben für Renten wegen Arbeitslosigkeit von 145 Mrd Mark nach
sich. Noch 1997 machten die Renten wegen Arbeitslosigkeit bei Männern
80% der gesamten Rentenneuzugänge aus. Diese Frühverrentung führte
zu weiteren hohen Belastungen der Rentenversicherung, da
sie nicht als versicherungsfremde Leistung vom Staat finanziert wurde,
sondern aus den Beiträgen der Versicherten. Eine weitere hohe Belastung ergab sich für die
GRV zum einen durch gravierend gestiegene Aussiedlerzahlen (Rentenzahlungen)
und im weit höheren Maße durch die ab 1990 neu hinzugekommenen Rentenzahlungen in die
neuen Bundesländer (die erst viele Jahre später vom Staat und nicht
mehr von den Versicherten gegenfinanziert wurden, aber bis heute
offiziell nicht als versicherungsfremde Leistungen gelten).
Die Älteren werden sich erinnern: Die dramatisch angestiegene
Massenarbeitslosigkeit wurde in den 1980er Jahren nicht als strukturell
bedingt (technischer Fortschritt), sondern öffentlich als konjunktureller
Einbruch dargestellt und behauptet: 10 Jahre später, in den 1990er Jahren, würde ein Arbeitskräftemangel
bestehen. Heute, im Jahre 2011, nach dreißigjähriger millionenfacher
Arbeitslosigkeit, notdürftig verschleiert durch eine manipulierte
Arbeitslosen-Statistik und millionenfachen prekären Beschäftigungsverhältnissen
führen Politik und Wirtschaft eine öffentliche Gespensterdebatte
über Jobwunder, Fachkräftemangel und mittelfristig entstehenden
Arbeitskräftemangel. Weiterhin wird die strukturelle Massenarbeitslosigkeit als
eine ursächliche Belastung unserer sozialen Sicherung öffentlich ignoriert,
ja geleugnet.
Demographisches Renten-Problem? In Wirklichkeit sind die Renten nicht sicher, weil in den letzten
30 Jahren Millionen Arbeitsplätze abgebaut wurden, deshalb zu wenig
Rentenbeiträge gezahlt werden (und weil die gesetzliche Rentenversicherung,
anders als die berufsständischen Rentenversicherungen , mit milliardenhohen
versicherungsfremden Leistungen belastet wird). Wären weiterhin
so viele Babys geboren worden wie bis zum "Pillenknick",
hätten wir heute vielleicht 20 Millionen statt 8 Millionen Arbeitssuchende und keinen Cent mehr in der Rentenkasse.
Erwerbsfähig im demographischen Sinne ist jeder Mensch zwischen
18 und 65, erwerbstätig oder gar sozialversicherungspflichtig beschäftigt
ist er damit noch lange nicht. Wir haben einen beträchtlichen Mangel an Steuer
und Sozialbeiträge leistenden Erwerbstätigen. Wäre die rein biologische
Betrachtungsweise richtig, müßten alle Entwicklungs- und Schwellenländer
mit ihren phantastischen Geburtenzahlen und prächtigen Alterspyramiden
glänzend finanzierte soziale Sicherungssysteme haben. Das ist offensichtlich
nicht der Fall und widerlegt die Demographie-Debatte, der sich inzwischen
fast alle Politiker virtuos bedienen. In der "Demographie-Debatte"
regelmäßig unterschlagen: Sobald die geburtenschwachen Jahrgänge
ins Rentenalter kommen, wird der Anteil der alten Menschen wieder
sinken. Die Alterung der Gesellschaft kann bewältigt werden durch den Abbau der Arbeitslosigkeit,
normaler Entlohnung und angemessener Teilhabe an den Produktivitätsgewinnen.
Einige Stimmen zur Ursache der Finanzierungsschwierigkeiten der
Rentenversicherung
Sozialverband Deutschland SoVD 1996: Maßnahmen zum Abbau
der Arbeitslosigkeit verstärken Durch den Geburtenrückgang und den Anstieg der Lebenserwartung
werden sich in den nächsten Jahrzehnten Veränderungen im Altersaufbau
der Bevölkerung ergeben. Etwaige aus der demographischen Entwicklung
erwachsende Belastungen betreffen alle Alterssicherungssysteme und müssen
auf der Grundlage harmonisierender Überlegungen für alle Bürger
in sozial gerechter Weise gelöst werden. Unabhängig davon, daß eine verlässliche Vorausschätzung langfristig
nicht möglich ist, sind für die Zukunft der Rentenversicherung nicht
in erster Linie die demographischen Veränderungen entscheidend.
Von herausragender Bedeutung ist vielmehr die Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
und insbesondere die des Arbeitsmarktes. Für die langfristige Finanzierung
der Rentenversicherung ist nicht nur die Zahl der Geburten wichtig,
vielmehr müssen für die nachwachsende Generation auch dauerhaft
Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Die hohe und
sich strukturell verfestigende Arbeitslosigkeit birgt für die GRV
große Gefahren. Deswegen müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um der Arbeitslosigkeit durch
eine aktive Arbeitsmarktpolitik entgegenzuwirken. Zur
Quelle
Im Sozialwort
der Kirchen (Wort des Rates der Evangelischen Kirche und der Deutschen
Bischofskonferenz) von 1997 heisst es
im Kap.2.1: 2.1 In Deutschland und in den anderen Mitgliedsstaaten der EU
stellt die anhaltende Massenarbeitslosigkeit die drängendste politische,
wirtschaftliche und soziale Herausforderung dar. Die katastrophale
Lage auf dem Arbeitsmarkt ist weder für die betroffenen Menschen noch für den sozialen
Rechtsstaat hinnehmbar. 2.2.3 Eine wesentliche Ursache der Finanzierungsschwierigkeiten
der Sozialhaushalte ist die hohe Arbeitslosigkeit. Durch die Massenarbeitslosigkeit
gehen den Sozialversicherungen erhebliche Beitragseinnahmen und
den öffentlichen Haushalten entsprechende Lohnsteuereinnahmen verloren,
während andererseits die Ausgaben der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung
steigen. Geringere Einnahmen und steigende Ausgaben führen zu Beitragserhöhungen, die wiederum als Anstieg der Lohnnebenkosten
die Beschäftigung beeinträchtigen können... mehr
Bundesagentur für Arbeit, 2004: Gesetzliche Rentenversicherung
in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit ist eines der zentralen gesellschaftlichen
Probleme der Gegenwart. Für die gesetzliche Rentenversicherung (RV),
die in erster Linie als Sicherungssystem der dauerhaft abhängig
beschäftigten Arbeitnehmer konzipiert wurde, stellt Arbeitslosigkeit eine ernsthafte
Herausforderung dar. Dabei sind vor allem zwei Aspekte bedeutsam:
die generelle Finanzierbarkeit des Systems der gesetzlichen RV und
die Aufrechterhaltung eines angemessenen Sicherungsniveaus für die einzelnen Versicherten.
In den folgenden Ausführungen sollen die Auswirkungen der gegenwärtigen
hohen Arbeitslosigkeit auf die individuelle Alterssicherung ...mehr
IGM-Vorstand vom Mai 1996 Analyse zum Sparpaket der Bundesregierung
"Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung" Angesichts des Drucks einer Rekord-Arbeitslosigkeit von über
4 Mio und einer weiteren versteckten Arbeitslosigkeit von geschätzt
3 Mio hat die IGM ein "Bündnis für Arbeit" vorgeschlagen
zur Überwindung der Massenarbeitslosigkeit und Zukunftssicherung des Sozialstaats.
Bei den AG-Verbänden hat sich jedoch die Position durchgesetzt "die
anhaltende Massenarbeitslosigkeit für weitere Verschiebungen der
Verteilungsauseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit (erwirtschaftete
Produktivitätsgewinne)" nutzen zu wollen. Mit o.a. Programm
hat die Bundesregierung dokumentiert, hierbei den AG- und Wirtschaftsverbänden
zur Seite zu stehen. zur Quelle
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